Der am 1. Dezember 2009 in Kraft getretene Vertrag von Lissabon ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, in dessen Verlauf die ursprünglich im Vertrag über eine Verfassung für Europa geplanten Reformen nach Schwierigkeiten in den nationalen Ratifikationsverfahren mehrfach angepasst werden mussten.
Bereits im Dezember 2001 hatte der Europäische Rat die "Erklärung von Laeken zur Zukunft der Europäischen Union" angenommen und einen Europäischen Konvent mit der Ausarbeitung eines neuen Grundlagendokuments beauftragt. Ziel der Reformen sollte es sein, die erweiterte EU effizienter, transparenter und demokratischer zu gestalten. Der Konvent tagte bis 2003 und legte schließlich einen Entwurf für einen "Vertrag über eine Verfassung für Europa" (VVE) vor, der - in einigen Punkten verändert - von den Staats- und Regierungschefs angenommen und am 29. Oktober 2004 in Rom unterzeichnet wurde.
Nach zwei negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden im Sommer 2005 wurde der Ratifikationsprozess zum VVE in den Mitgliedstaaten jedoch abgebrochen. Erst nach einer zweijährigen 'Reflexionsphase' und schwierigen Verhandlungen einigten sich die Mitgliedstaaten darauf, eine neuerliche Regierungskonferenz einzuberufen. Mittels des "Reformvertrags" sollte die Substanz des VVE in das bestehende Vertragswerk integriert werden. Damit kehrten die Mitgliedstaaten zur traditionellen Methode der Vertragsänderung zurück, wobei jedoch sowohl dem Europäischen Parlament als auch der Kommission weitgehende Mitspracherechte eingeräumt wurden. Der "Vertrag von Lissabon" wurde schließlich am 13. Dezember 2007 in der portugiesischen Hauptstadt unterzeichnet.
Die Ratifizierung des "Vertrags von Lissabon" verlief zunächst unproblematisch. Mitte Juni 2008 scheiterte allerdings das Referendum in Irland. Die irische Bevölkerung stimmte erst in einem zweiten Referendum im Oktober 2009 für den Vertrag, nachdem den Forderungen ihrer Regierung nach dem Erhalt nationaler Souveränität in mehreren Punkten durch Ausnahmeregelungen Rechnung getragen worden ist. Auch in Polen und der Tschechischen Republik verzögerte sich die Ratifizierung des Vertrags aufgrund nationaler politischer Auseinandersetzungen und Rechtsstreitigkeiten. Deutschland ratifizierte den Vertrag erst nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und einer dadurch notwendig gewordenen Überarbeitung des Begleitgesetzes zur EU-Vertragsänderung.
Der Vertrag von Lissabon trat schließlich am 1. Dezember 2009 in Kraft. Für zukünftige Primärrechtsreformen, insbesondere umfassenderer Art, zeigen diese Erfahrungen hohe Hürden auf. Erstens muss das Verhandlungsergebnis für die Entscheidungsträger in allen Mitgliedstaaten vollständig tragfähig sein, was bei 27 bzw. 28 Mitgliedstaaten mit zunehmend europaskeptischen Regierungsparteien nur mit schwierigen Zugeständnissen zu erreichen sein wird. Die Ratifikation in Deutschland deutet zudem darauf hin, dass bei Primärrechtsänderungen verfassungsrechtliche Schranken beachtetn werden müssen. Nicht zuletzt zeigen die negativen Referenden in Frankreich, den Niederlanden und Irland, dass nicht nur die nationalen Parlamente, sondern auch die europakritischen Parteien und Bewegungen eingebunden und ernst genommen werden müssen, um Überraschungen bei der Ratifikation zu vermeiden.