„Keine Spur von EU-Verdrossenheit“– Lebhafte Podiumsdiskussion rund um die EU-Wahlen in hochkarätiger Runde
Unter dem Titel „Communicating Europe“ diskutierten am Freitagabend Eva Lichtenberger (Tiroler Europaabgeordnete, Die Grünen), Astrid Zimmermann (Presseclub Concordia), Othmar Karas (Vizepräsident des Europäischen Parlaments & Spitzenkandidat der ÖVP für die Europawahlen) und Politologe Anton Pelinka mit einem jungen Publikum wie man das Thema Europa bzw. die Wahlen zum europäischen Parlament besser zu den Bürgern bringen kann. Moderiert wurde die Veranstaltung im vollbesetzten Plenarsaal des Innsbrucker Rathauses von Doris Dialer vom Innsbruck Center on European Research.
„Die Beteiligung bei den Europawahlen in Österreich ist nicht wie oft kolportiert gesunken, sondern seit der ersten Wahl 1999 nahezu konstant geblieben.“ Mit diesem überraschenden Einstieg eröffnete Moderatorin Doris Dialer vor rund 160 Zuhörern die spannende Diskussion unter der Schirmherrschaft des Europäischen Parlaments.
Von Studierenden für junge Menschen
Bereits das Zustandekommen der Veranstaltung stellte eindrucksvoll unter Beweis, dass Partizipation von jungen Menschen gewünscht und möglich ist, denn es waren Studierende der Universität Innsbruck, die die Idee zu diesem Abend hatten. Als Vertreterin des Organisationsteams begrüßte Mirella Johler das Publikum und freute sich, dass so viele junge Menschen der Einladung gefolgt waren.
Schon die Einstiegsfrage, wie man junge Menschen für politische Themen interessieren kann, wurde vom Podium kontrovers beantwortet: Othmar Karas ist als Vizepräsident des Europäischen Parlaments für dessen Kommunikation zuständig und legt den Focus stark auf soziale Netzwerke, was offenbar auch angenommen wird: immerhin hat das EU-Parlament fast 1,4 Millionen Freunde auf Facebook. Eva Lichtenberger beispielsweise nutzt selbst sehr aktiv soziale Netzwerke, um mit ihren Wählern in Kontakt zu treten. Junge Menschen teilen Themen, die sie betreffen – wie z.B. wenn es um die Abschaffung von Roaminggebühren geht. Dazu ergänzte Astrid Zimmermann, dass prinzipiell politisches Interesse bei den Nutzern vorhanden sein muss, um Jungwähler ansprechen zu können. Für Anton Pelinka, der sich selbst als „Social Media Muffel“ bezeichnete, gibt es „den Jungwähler“ bzw. „den Jugendlichen“ nicht: Es gibt politisch Interessierte, und solche, die sich überhaupt nicht interessieren. Grundsätzlich könne festgehalten werden, dass eine höhere Bildung mit größerem Politik- bzw. Europa-Interesse korreliert.
Wer vermittelt Europa?
Boulevard versus Qualitätsmedien, nationale Interessen versus Europaninteressen – auf die Frage, wer europäische Themen den Bürgern vermittelt, eröffnete sich eine rege Diskussion. Pelinka verdeutlichte die unterschiedlichen Zugänge: Boulevardmedien spielen die nationale Karte – der Auflage wegen. „Würden EU-Themen Quote bringen, würden sie dort auch gespielt“, so der Universitätsprofessor. Zusätzlich fehle EU-Themen oft die für Medien wichtige Aktualität, ergänzt Eva Lichtenberger: „Beschlüsse, die in Brüssel gefasst werden, haben oft erst Jahre später Auswirkungen auf die Bevölkerung“.
Die Politik ist oft aus eigenem Interesse nicht der beste EU-Kommunikator: „Europäische Erfolge werden gerne als eigene Leistungen der heimischen Politik verkauft und unpopuläre Entscheidungen werden der EU zugeschrieben“, so Astrid Zimmermann. Das Dilemma für die heimischen Politiker kann Eva Lichtenberger aber gut verstehen: „Wenn der Bürgermeister die Leistungen der EU hervorhebt, schmälert er seine Bedeutung.“
Dass die EU-Themen die Menschen beschäftigen, stellte die Vielfalt der Beiträge aus dem Publikum eindrucksvoll unter Beweis: Von der Frage, warum eine Doppelstaatsbürgerschaft nicht möglich sei und das Freihandelsabkommen hinter verschlossenen Türen verhandelt wird, bis hin zu Fragen zum Initiativrecht des Parlaments reichte die Palette.
Othmar Karas hob hervor, dass das Europäische Parlament bereits das transparenteste Parlament der Welt sei: Alle Sitzungen und Entscheidungen sind umgehend im Internet öffentlich verfügbar. Er sieht den Bürger als Gradmesser für den Erfolg der Kommunikation: „Solange die Bürger die Wahl nicht als die wichtigste Wahl erachten, sind wir in unserer Kommunikation gescheitert.“